Urteile zum Bauen in Spanien
Urteile zum Baurecht
Verspätete Baufertigstellung
Das Datum der Fertigstellung des Bauvorhabens ist für den Immobilienkäufer oder Bauherrn meist von größter Wichtigkeit. Denn Umzugspläne oder aber auch schon geplante Ferienaufenthalte hängen von diesem Datum ab. Leider ist in vielen Bauverträgen hierzu entweder nichts oder nur ein „schwammiges“ Datum der „voraussichtlichen“ Fertigstellung vereinbart. Selten findet sich eine Vertragsstrafe für die Bauzeitüberschreitung. Allerdings hilft hier manchmal der Rechtsprechung, wenn die Überschreitung sich endlos in die Länge zieht. So haben verschiedene Berufungsgerichte dem von extremen Bauzeitüberschreitungen genervten Baukunden Schadenersatzansprüche unter dem Aspekt des „moralischen“ Schadens zugebilligt. Allerdings muss die Überschreitung dazu erheblich sein. In einem Fall, den das Berufungsgericht von Barcelona zu entscheiden hatte, brauchte der Unternehmer nicht weniger als zehn Monate länger als vereinbart. Da es sich um ein Ferienhaus handelte, sprach das Gericht dem Kunden Schadenersatz für die in der Zwischenzeit angefallenen Wochenenden, Feiertage und Ferien zu, die der klagende Bauherr nicht in seinem Haus hatte verbringen können. Dieser Rechtsprechung hat sich unlängst auch das Berufungsgericht der Balearen in Palma de Mallorca angeschlossen. Trotz dieser verbraucherfreundlichen Rechtsprechung empfiehlt es sich, gleich eine Vertragsstrafe in den Bau- oder Kaufvertrag aufzunehmen, wonach der Unternehmer bei Bauzeitüberschreitungen eine wöchentliche Entschädigung zahlen muss, wenn er zu einem vereinbarten Datum nicht fertig ist (AP Barcelona, Urt. v. 12.02.04 AP Baleares, Urt. v. 31.05.05).
Verjährung bei Baumängeln
In einer interessanten Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof in Madrid den Lauf der Verjährung bei der Geltendmachung von Baumängeln präzisiert. Bei älteren Gebäuden von vor 1999, auf die noch nicht das Gesetz zur Ordnung des Bauwesens (Ley de Ordenación de Edificación, L.O.E.) Anwendung findet, besteht eine 10-jährige Garantiehaftung des Bauträgers für Schäden die zur Unbewohnbarkeit des Gebäudes führen können. Der erste Zivilsenat des Obersten Gerichtshofes hat nun klargestellt, dass die Haftung keineswegs nach zehn Jahren erlösche wie die verklagte Bauunternehmung meinte: Vielmehr müsse der Mangel lediglich innerhalb von 10 Jahren nach der Fertigstellung des Baus aufgetreten sein; dann könne der Betroffene die Mängel innerhalb von 15 Jahren geltend machen. Das L.O.E., das für neuere Gebäude gilt, hat dagegen die Frist zur Geltendmachung von solchen Mängeln auf zwei Jahre gerechnet ab ihrem Auftreten verkürzt. (Tribunal Supremo, Urt. v. 23.05.2005).
Mängelhaftung bei Nutzlosigkeit
Die Haftung des Bauunternehmers für schwere Bauschäden innerhalb von 10 Jahren galt ursprünglich nur für den Fall des Einstürzens des Gebäudes. Für den geschädigten Bauherrn hat diese Haftung den Vorteil, dass er grundsätzlich nur das Vorliegen dieser Mängel darlegen muss; aber nicht wer etwas falsch gemacht hat. Diese Garantiehaftung ist von der Rechtsprechung erheblich ausgedehnt worden: Auch bei Schäden, die zur Unbewohnbarkeit des Gebäudes führen können, wird oftmals die zehnjährige Haftung bejaht. Wie ist aber der Fall zu beurteilen, wenn das Gebäude vom Unternehmer von vorne herein so ausgeführt ist, dass einzelne Gebäudeteile nicht benutzt werden können? Mit einem solchen Sachverhalt hatte sich der Oberste Gerichtshof in Madrid im Zusammenhang mit einem völlig verbauten Parkhaus zu beschäftigen: Die Einfahrtsrampen und die Wendemöglichkeiten innerhalb des Parkhauses waren für den Autoverkehr völlig falsch dimensioniert und daher für den Gebrauch nicht tauglich. Die Richter entschieden, dass auch eine mangelhafte Bauausführung, die von vorne herein die Tauglichkeit des Gebäudes teilweise aufhebt von der 10-jährigen Garantiehaftung erfasst wird. Die Verantwortlichen müssen dem Bauherrn den anteiligen Schaden ersetzten, der daraus resultiert, dass für die Verbreiterung Stellplätze verloren gehen. (Tribunal Supremo, Urt. v. 2.10.03)
Baumängel und Schlusszahlung
Ob der Bauherr die Schlusszahlung gegenüber dem Bauunternehmer verweigern kann, weil an der Immobilie Mängel bestehen, ist eine Frage, die die Rechtsprechung in Spanien immer wieder beschäftigt und nicht einheitlich beantwortet werden kann. Jedenfalls ist hier eine Prüfung des Einzelfalls durch den Anwalt unbedingt erforderlich. Der Oberste Gerichtshof hatte in einem kürzlich entschiedenen Fall mit eben dieser Problematik zu tun. Der Bauherr wandte gegenüber dem Schlusszahlungsverlangen des Unternehmers ein, dass an der Immobilie so schwerwiegenden Mängel bestünden, dass diese die Unbewohnbarkeit des Gebäudes zur Folge hätten. In diesem Fall, entschied der Oberste Gerichtshof, sei der Bauherr bei derart schwerwiegenden Mängel sowohl berechtigt, die Mängelbeseitigung von dem Unternehmer zu verlangen als auch die eine Entschädigung und in Geld, die er gegenüber dem Schlusszahlungsverlangen des Unternehmers aufrechnen könne. Da der Fall sich noch nicht auf das neue Bauwesengesetz bezog, war nicht Streitgegenstand, dass der Bauherr gegenüber dem „Promotor“ des Bauvorhabens unter Umständen auch Zahlungen zurückhalten kann, weil dieser die nach diesem Gesetz erforderlichen Unterlagen wie Baumängelversicherung, Baugnehmigung und Bewohnbarkeitsbescheinigung nicht vorlegen kann. In meiner Kanzlei haben wir bereits mehrfach Urteile erstritten, die die (Schluss-) Zahlungspflichten des Bauherrn von der Übergabe dieser Unterlagen abhängig machen. Allerdings gibt es hierzu noch keine endgültige Entscheidung des Obersten Gerichtshofes. (Tribunal Supremo, Urt. v. 15.2.2006)
Kündigung des Bauvertrages
Der Bauherr ist nach dem Gesetz berechtigt, jederzeit den Bauvertrag einseitig zu kündigen. Allerdings muss er dem Unternehmer dann sowohl die erbrachte Teilleistung als auch Schadenersatz zahlen. Das gilt nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in Madrid auch dann, wenn die Parteien sich schon auf eine Grundsatzplanung zu dem Bauvorhaben geeinigt haben, die konkrete Ausführungsplanung aber noch fehlt. Es komme nur darauf an, dass ein konkretes Vertragsobjekt bereits vereinbart sei. Trete der Bauherr dann vom Vertrag zurück, sei dem Unternehmer zum Schadenersatz verpflichtet. Anders verhält es selbstverständlich, wenn der Bauherr den Vertrag kündigt, weil der Unternehmer seinen vertraglichen Pflichten verletzt hat, etwa weil an der Baustelle monatelang nicht gearbeitet wird oder Pfusch am Bau vorliegt. In diesem Fall muss natürlich kein Schadenersatz geleistet werden. Vielmehr muss umgekehrt der Unternehmer für den entstehenden Schaden aufkommen (Tribunal Supremo, Urt. v. 25.04.2003).
Keine Nachbesserungsmöglichkeit bei Baufehler
Führt ein Unternehmer eine Bauleistung nicht nach den Regeln der Baukunst aus, kann der Auftraggeber den Vertrag ohne weiteres kündigen und eine andere Firma mit der Sanierung der fehlgeschlagenen Leistung beauftragen. Er muss nicht noch einen Nachbesserungsversuch des Unternehmers erdulden. Dies entschied das Berufungsgericht in Alicante. Allerdings war der Unternehmer mehrfach vom Architekten und vom Bauträger aufgefordert worden, seine Leistung nachzubessern. Sein mangelhaftes Bauwerk sei jedenfalls ein Kündigungsgrund urteilte das Gericht. (Audiencia Provincial Alicante, Urt. v. 01.03.2002)
Bei kleinen Mängeln nur Minderungsanspruch
Wenn ein Bauunternehmer mit der Fertigstellung des Werkes nicht nachkommt, kann der Auftraggeber bis zur Fertigstellung grundsätzlich die Bezahlung verweigern. Allerdings kann es im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, wenn es sich um ganz geringfügige Mängel handelt, der Bauherr diese auch nicht reklamiert und die Zahlung verweigert. In diesem Fall würde eine ungerechtfertigte Bereicherung des Bauherrn eintreten, wenn der Unternehmer dauerhaft überhaupt kein Geld für sein Teilwerk bekäme, entschied das Berufungsgericht von Alicante. In diesem Fall seien die Ansprüche des Auftraggebers auf die Minderung des vereinbarten Preises beschränkt. Er müsse aber grundsätzlich zahlen.
(Audiencia Provincial Alicante Urt. v. 10.01.2002).
Architektenhaftung
In Spanien ist der Planungsarchitekt auch für die Bauaufsicht zuständig. Dabei obliegt ihm eine besondere Oberaufsicht. Diese Quintessenz ergibt sich auch einem Urteil des Obersten Gerichtshofes in Madrid, der damit in letzter Instanz ein Urteil des Gerichts von Denia und des Berufungsgerichts in Alicante bestätigt. Der Architekt hatte sich dagegen gewehrt, dass er für Bauausführungsmängel gemeinsam mit dem Bauunternehmer verantwortlich haften sollte. Schließlich sei für die Fehler bei der Ausführung der Unternehmer verantwortlich. Mit dieser Argumentation fand er aber in Madrid kein Gehör: Dem Architekt obliege neben der Verantwortung für die Bauplanung auch die Oberaufsicht am Bau. Leider nehmen manche Architekten in der Praxis diese Pflichten gar nicht oder recht locker wahr. Immer wieder berichten Bauherrn, den Architekten in der Ausführungsphase ihre Baus niemals auf der Baustelle gesehen zu haben. Dass der Architekt nicht die Hände in Unschuld waschen kann, wenn er seine Aufsichtspflicht in der Ausführungsphase verletzt, bestätigte nun der Oberste Gerichtshof. Zwar könne er nicht für jeden Mangel bei der Ausführung verantwortlich gemacht werden; im vorliegenden Falle seien die Mängel jedoch so gravierend, dass sie der Oberaufsicht des Architekten bei der Ausführung des Baus hätten nicht entgehen dürfen, wenn er seinen Pflichten nachgekommen wäre. (Tribunal Supremo, Urt. .v. 10.10.2005)
Architektenhaftung beim Fundament
Im Rahmen der Garantiehaftung der am Bau Beteiligten treffen den Architekten besondere Berufspflichten. Nach dem Gesetz ist zum Beispiel dafür verantwortlich, der Bodenbeschaffenheit entsprechende Fundamente für das Bauobjekt zu planen. Um hier seinen Sorgfaltspflichten zu genügen, muss er unter Umständen auch an einen Ingenieur ein Gutachten über die Bodenbeschaffenheit in Auftrag geben. Dies entschied das Berufungsgericht von Cáceres. Nur durch die entsprechende Studie über die Beschaffenheit des Untergrundes sei die Planung adäquater Fundamente durch den Architekten überhaupt möglich gewesen. Daher müsse für die später an dem Haus entstandenen Bauschäden wegen nachgebender Fundamente haften. Für den Bauherrn ist es oft aus wirtschaftlicher Sicht interessante den Architekten und seine Haftpflichtversicherung zu verklagen, da sich Bauträger oder – Unternehmer nicht selten bereits in die Insolvenz verabschiedet haben Wenn es zu Fundamentschäden kommt, müssen Eigenheimbesitzer nämlich mit erheblichen Sanierungskosten oder im schlimmsten Fall gar mit Abriss rechnen. (Audiencia Provicial Cáceres, Urt. v. 21.2.2003)
Gemeinsame Haftung von Architekt und Bauträger
Der Architekt muss als Beteiligter am Bau für Planungsfehler haften. In Spanien ist er nach dem Gesetz auch für fehlende Untersuchungen der Beschaffenheit des Bodens verantwortlich. Wie aber ist die Haftungsfrage zu lösen, wenn gleichzeitig ein Planungsfehler vorliegt, weil der Architekt keine Stützmauer zum Halt eines abschüssigen Geländes vorgesehen hat und der Bauträger es aber gleichzeitig versäumt hat, den Untergrund zu verdichten und so gegen ein Abrutschen zu sichern? Der Oberste Gerichtshof entschied das in diesen Fällen, die beiden Beteiligten gemeinsam haften müssen. Der betroffene Baukunde kann sich daher gegen jeden einzeln vollstrecken. Gleichzeitig bestätigten die Richter ihre bisherige Rechtsprechung, dass der vertragliche Garantiehaftungsanspruch nicht nur dem eigentlichen Bauherrn zusteht, sondern automatisch auch auf einen späteren Erwerber der Immobilie übergeht. (Tribunal Supremo, Urt. v. 23.06.03)
Architektenhaftung II
In Spanien ist am Bau neben dem Planungsarchitekten, der die Baupläne zeichnet und sich um die Statik kümmert, auch ein besondere bauleitender Architekt (arquitecto técnico oder aparejador) beteiligt. Letzterer soll nach der Vorstellung des Gesetzes als Bindeglied zwischen dem Planer und den ausführenden Bauhandwerkern fungieren. Während der Planer also mehr ein „Schreibtischtäter“ ist, soll der Aparejador das Geschehen am Bau überwachen.
Die Überschneidung beider Verantwortungsbereiche war kürzlich Gegenstand einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes. Bei einem fehlgeschlagenen Bau waren Mängel an der Planung festgestellt worden, die also klar in die Verantwortung des Planers fielen. Daneben hatte der Bauleiter seine Pflichten verletzt; denn die Bauausführung war alles andere als „nach den Regeln der Baukunst“. Hier trifft den Bauleiter die Pflicht, den Planungsarchitekten über eventuelle Fehler, die sich bei der Bauausführung ergeben, unverzüglich zu unterrichten, entschied der Oberste Gerichtshof. Im Verhältnis zum Bauherrn müssen beide Verantwortliche gemeinsam einstehen, befand das Gericht. (Tribunal Supremo, Urt. .v. 06.05.2004)
Architektenhaftung III
Nach dem spanischen Baurecht ist es häufig schwierig festzustellen, wer zu verklagen ist. Bauunternehmer, Architekt oder technischer Bauleiter?
Dies beruht darauf, dass sich oft erst im verlauf des Prozesses herausstellt, dass die Haftungssphäre des einen oder anderen am Bau Beteiligten betroffen ist. Zwar sind die einzelnen Verantwortungsbereiche nach dem seit einigen Jahren geltenden Gesetz zur Regelung des Bauwesens (Ley de Ordenación de la Edificación) in der
Theorie klar abgegrenzt. In der Praxis allerdings macht das Schwierigkeiten:
Dies zeigt ein kürzlich vom Obersten Gerichtshof in Madrid gefälltes Urteil für die Haftung eines Architekten. Die obersten Zivilrichter befanden einen Architekten für schuldig, an dem Eindringen von Wasser in der Tiefgarage einen Apartmentgebäudes. Nach dem Gesetz haftet der Architekt für Planungsfehler und für Fehler bei der Oberbauleitung die im in der Ausführungsphase obliegt. Nach der alten Rechtslage haftete der Architekt auch für die Untersuchung des Unterbodens.
Diese Verantwortlichkeit muss er sich aktuell mit den obligatorisch vorgeschriebenen Bodengutachtern teilen. Denn diese helfen dem Architekten zwar bei der Begutachtung des Bodens. Die technischen Schlüsse aus dem Bodengutachten aber obliegen dem Architekten im Rahmen der Planung. So wurde dem Architekten in dem vom obersten Gerichtshof entschiednen Fall zum Vorwurf gemacht, dass er unter der Fundamentbodenplatte keine ausreichende Drainage vorgesehen habe, wodurch es zu den Wassereinbrüchen im Keller gekommen sei. Hieraus folge, dass eindeutig ein Planungsfehler vorliege, für den der Architekt – neben dem Bauträger – den Wohungskäufern gegenüber haften müsse. (Tribunal Supremo, Urt. v. 14.05.2008)
(C) 2008 Niels Becker
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(c) 2007 Niels Becker